THE WONDROUS INQUISITIVENESS OF SANDRA MANN
The wondrous Inquisitiveness of Sandra Mann
by Jean-Christophe Ammann
Not that Sandra Mann is a photographic reporter, nor is she a documenter of the in scene. Larry Clark or Nan Goldin are more where she comes from. – Sandra Mann flies out and observes, unobtrusively; nothing escapes her eye. People’s candour at the encounter and that they find their being put on show delightful, has to do with her temperament and her personality. Possibly, too, with her charm and her tinkle of a laugh. The camera is her constant companion, her extended arm, I would be tempted to say, an olfactory organ.
Her peripheral instinct takes her to the epicentre of things. She has no qualms about physical contact and yet can be as shy as a deer.. Her gaze is tender and empathetic. No stranger to obscene detail, she is wholly removed from vulgarity. Amidst teenagers’ enthusiasm at a concert the sway infects her, but she does not lose touch with a stabilising calm. Her view can feel its way through the thinnest of fabrics and present the abrupt perspective of over-long legs as if in provocation to the eye. The knowledge her own eye is possessed of is physical from beginning to end, a knowledge sustained by experience without ever becoming an end in itself. Mann does not observe herself; she observes the others and her gaze has nothing of the voyeur’s.
Sandra Mann’s attitude to herself (to avoid the term of ‘ironic’) is playful. That approach is consistent with a methodical procedure insofar as her intuition encompasses more than it excludes. What is remarkable is not only the continual change of perspective, but her facility for associative blending in which one picture not so much catapults another in a new direction, than that the ‘outer regions’ of the respective images affect each other. This can operate through affinities of colours or forms, or again by a gravitation between constellations of content or meaning.
One thing stands out for me. With her contemplation Sandra Mann produces an astonishing wealth of everything, as if she wanted to embrace the all the world.
What we can only guess at in her pictures are the many noises, sounds, voices, rhythms there – a tapestry as colourful and animated as what we see – all the way to the silence of the iguana.
Jean-Christophe Ammann
from: Nightlife / Sandra Mann, Claus Wolfschlag (Hrg.), Kehrer Verlag Heidelberg, 2003, ISBN 3-933257-96-4
Die wunderbare Neugier von Sandra Mann.
von Jean-Christophe Ammann
Eine Fotoreporterin ist Sandra Mann nicht, auch keine Szenefotografin. Sie gehört eher in die Tradition eines Larry Clark oder einer Nan Goldin. — Sandra Mann schwärmt aus, und sie beobachtet, unaufdringlich, ihrem Blick entgeht nichts. Dass sich Menschen ihr gegenüber öffnen, sich im Zeigen freuen, hat mit ihrem Temperament und mit ihrer Persönlichkeit zu tun. Vielleicht auch mit ihrem Charme und ihrem glockenhellen Lachen. Die Kamera ist ihr Wegbegleiter, ihr verlängerter Atem, fast möchte ich sagen, ein Geruchsorgan.
Sie steht mitten drin mit ihrem peripheren Instinkt. Sie hat keine Berührungsängste und kann dennoch scheu sein wie ein Reh. Ihr Blick ist zärtlich, mitfühlend. Das obszöne Detail ist ihr nicht fremd, jedoch jegliche Form von Vulgarität. In der Begeisterung von Jugendlichen bei einem Konzert schwingt sie mit, ohne die stabilisierende Ruhe außer acht zu lassen. Ihr Blick kann sich durch die dünnsten Stoffe tasten und die jähe Perspektive überlanger Beine wie eine Provokation vor Augen führen. Das Wissen ihres Auges ist durch und durch ein körperliches, ein aus der Erfahrung genährtes Wissen, ohne dass es je zum Selbstzweck wird: Sandra Mann schaut sich nicht zu. Sie schaut den anderen zu, ohne dass sich ihr Blick voyeuristisch gebärdet.
Sandra Mann hat einen spielerischen Umgang mit sich selbst (um das Wort „Ironie“ zu vermeiden). Dieser Umgang entspricht auch einem methodischen Vorgehen, insofern ihre Intuition mehr ein-, den ausschließt. Das Bemerkenswerte ist nicht nur der ständige Blickwechsel, sondern die Fähigkeit der assoziativen Durchmischung, bei der weniger das eine Bild das andere in eine neue Richtung katapultiert, sondern vielmehr die „Randbereiche“ der Bilder ineinander wirken. Dies kann über die Annäherung von Farben und Formen oder auch über die Gravitation inhaltlicher oder bedeutungsspezifischer Konstellationen erfolgen.
Vor allem aber scheint mir etwas wichtig: Sandra Mann produziert mit ihrem Schauen einen erstaunlichen Reichtum an Allem, so als möchte sie die Welt umarmen.
Was wir in ihren Bildern nur ahnen, sind die vielen Geräusche, Sounds, Stimmen, Rhythmen: Ein Teppich, so farbig und bewegt wie ihre Bilder — bis hin zum Schweigen des Leguans.
Jean-Christophe Ammann
aus: Nightlife / Sandra Mann, Claus Wolfschlag (Hrg.), Kehrer Verlag Heidelberg, 2003, ISBN 3-933257-96-4